Samstag, 11. Februar 2012

Dein Baby macht ins WC? Das ist komisch genug für ein Interview!

Viele Babys wachsen auf, ohne jemals eine Windel getragen zu haben. Dass sich nicht alle Menschen auf dieser Welt Windeln leisten können, ist nicht der einzige Grund dafür. Sie habe eine Erfahrung, die in Europa und Nordamerika grösstenteils verloren gegangen ist. Diese Erfahrung ist, dass ein Baby schon sehr früh über seine Ausscheidung kommunizieren kann und es auch tut, sofern man darauf eingeht. Mittlerweilen praktizieren auch manche Familien in unserer modernen Zivlisation die windelfreie Säuglingspflege bzw. Ausscheidungskommunikation mit Überzeugung. Ob mit oder ohne Windel - das Ziel dieser Methode ist, dass ein Baby schon früh auf natürliche Art und Weise lernt, mit seiner Ausscheidung umzugehen und in seiner Entwicklung positiv gefördert wird. Diese Methode hat nichts mit Zwang zu tun. Es ist ein individueller Weg zwischen einer Mutter und ihrem Kind. Vor einigen Monaten durfte ich ein Interview mit einer gläubigen Frau aus den USA durchführen, die sowohl mit der herkömmlichen Windelpraxis als auch mit der Ausscheidungskommunikation ihre Erfahrungen gemacht hat.

Weiterführende Informationen zum Thema Ausscheidungskommunikation gibt es
hier.


Das Interview mit Frau Parunak
In der Übersetzung habe ich für den englischen Begriff „Elimination Communication“ (Ausscheidungskommunikation) die übliche Abkürzung EC beibehalten, die im Zusammenhang des Interviews treffender ist als der Begriff „windelfrei“.

1.    Was war Ihre Motivation, mit EC zu beginnen?

Meine ursprüngliche Motivation, mit EC zu beginnen, war meine Hoffnung, dass das Töpfchen-Training leichter werden würde. Als eine dreifache Mutter in Erwartung mit dem vierten Kind kämpfte ich zutiefst mit dem Töpfchen-Training-Trauma angesichts der Wäsche, der Teppichreinigung, den von Pfützen wegführenden Fussstapfen und, am schlimmsten von allem, der elenden Frustration eines Kleinkindes, welches sich seiner schmutzigen Hosen bewusst ist. Befürworter von EC behaupten, dass Babys mit dem gleichen Widerstand, sich schmutzig zu machen, geboren würden, wie ihn Erwachsene haben. Dieser Widerstand würde ihnen jedoch wegtrainiert, weil wir sie rund zwei Jahre zwängen, in ihrer Ausscheidung in den Windeln zu sitzen. Dann, eines Tages, entscheiden wir, dass es nun für das Kind an der Zeit sei, es abzulehnen, in die Windeln zu machen und stattdessen das Töpfchen zu bevorzugen. Doch weshalb sollte es? Wir haben gerade die vergangenen zwei Jahre damit verbracht, das Baby zu lehren, sich nichts daraus zu machen.
Nachdem ich mich mit meinen zwei älteren Kindern durch das traditionelle Töpfchen-Training hindurch gerungen habe und eine dritte Runde mit meinem Kleinkind begann, welches immer noch in Windeln war, war ich sehr interessiert daran, den Stand der Dinge zu verbessern, indem ich das Baby nicht daran gewöhne, in die Windeln zu machen.
Doch jetzt, nach fast neun Monaten mit EC, habe ich eine andere Motivation. (Auch wenn ich immer noch sehr interessiert bin zu sehen, wie es mit dem Töpfchen-Training weitergeht.) Als ich mit EC anfing, war ich auf das „E“ [Elimination – Ausscheidung] konzentriert, jetzt jedoch ist mein Schwergewicht mehr auf dem „C“. [Communication – Kommunikation] Das Gefühl, aufs Töpfchen gehen zu müssen, ist für mein Baby unangenehm und ich kann ihm helfen, sich besser zu fühlen. Es ist eine weitere Not, der ich begegnen, ein weiterer Ruf, den ich beantworten kann. Meine Tochter spricht, in grunzenden kleinen Baby-Worten, und ich verstehe es, genau so, wie wenn sie Wärme oder Nahrung oder Liebkosung braucht. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, es nicht zu tun.


2.    Wie ist es in Ihrem Arbeitsalltag neben den vielen anderen Aufgaben möglich, EC zu praktizieren?

Bevor ich anfing war ich wirklich besorgt bezüglich des Zeitaufwandes. Doch in der Regel brauche ich nur eine Minute, um meine Tochter im Badezimmer abzuhalten und das fliesst problemlos in meinen Arbeitsalltag hinein, genauso wie das Stillen oder Windeln wechseln. Wenn sie fertig gestillt ist, von einem Schläfchen aufwacht oder ihre Position ändert (zum Beispiel vom Babytragtuch zum Spielen auf dem Boden), bringe ich sie ins Badezimmer um zu sehen, ob sie ein Ausscheidungsbedürfnis hat. Der Zeitverlust ist nicht grösser als bei meinen älteren Kindern, wenn ich ihnen helfe, auf die Toilette zu gehen.


3.    Hat die Tatsache, dass Sie mit EC angefangen haben, viel an ihren Gewohnheiten der Säuglingspflege geändert, zum Beispiel, in der Bekleidung?


Meine Babykleidervorzüge haben sich ein bisschen geändert. Ich versuche, meinem Baby Kleider anzuziehen, welche einen schnellen Zugang auf dem Weg zum Badezimmer ermöglichen. Somit kann ich auch leicht überprüfen, ob es möglicherweise schon in die Windel gemacht hat und ich sie wechseln muss, statt einen Ausflug zur Toilette zu machen. Im Sommer waren Röcke ideal, doch jetzt, wo es kalt ist, benutze ich meistens Schlafanzüge mit Druckknöpfen an beiden Beinen, welche leicht geöffnet werden können. Und am wichtigsten sind die althergebrachten Stoffwindeln (im Gegensatz zu den super absorbierenden modernen Varianten). Das Baby braucht die Verbindung zwischen dem Gefühl der Nässe und dem „in die Windeln machen“.
Doch die grössere Veränderung liegt darin, wie ich meinem Baby begegne. Wenn meine älteren Kinder ein Schläfchen gemacht hatten, wartete ich in der Regel, bis sie anfingen zu weinen, bevor ich ging, um sie aufzunehmen. Jetzt, da ich aufmerksam bin auf die Ausscheidung, habe ich gelernt, dass mein Baby nach dem Aufwachen ein bis zwei Minuten ruhig liegt, in die Windeln macht und dann weint. So, wenn immer ich kann, versuche ich, meine Tochter aufzunehmen, bevor sie mit Weinen beginnt. Der richtige Zeitpunkt ist natürlich schwieriger zu erwischen, doch wenn immer ich ihre kleinen Äuglein sich öffnen sehe, nehme ich sie auf und bringe sie zur Toilette.
Ich versuche ebenfalls, aufmerksamer zu sein gegenüber ihrem Quengeln. Meine Tochter macht ein Getue und ist unruhig, bevor sie ausscheidet. Wenn ich das nicht wahrnehme, macht sie zuletzt in ihre Windeln, und dann wird sie wirklich weinen. Wenn ich das Quengeln bei meinen älteren Kindern gehört hatte, wiegte ich sie oft ein bisschen in meinem Arm, so als ob es ihnen langweilig wäre und sie eine Ablenkung bräuchten. Jetzt versuche ich, mein Baby zur Toilette zu bringen. Alte Gewohnheiten sterben jedoch schwer. Und ich entdecke häufig, dass es nass ist. Wenn ich dann zurückdenke, stelle ich fest, dass ich es gewiegt habe, ohne etwas dabei zu denken.

4.    Wie kommunizieren Sie und Ihr Baby zusammen?


Mein Baby kommuniziert mit mir durch Quengeln und Drehen und Winden und ich kommuniziere mit ihm, indem ich den Schlüsselsatz: „Möchtest du aufs Töpfchen gehen?“, ausspreche. Die meisten Leute, die EC praktizieren, verwenden eine Art von Geräusch wie „Psch, psch“, doch das passt einfach nicht zu meiner Persönlichkeit. Ich bin ein Mensch der Worte. Ich wollte etwas Echtes verwenden. Ich habe jedoch festgestellt, dass mein Baby eine lange Zeit braucht, bis es die einzelnen Wörter des Satzes heraushören kann. Deshalb bemühe ich mich, immer denselben Klang und Tonfall zu verwenden. Meine Tochter hat klar gelernt, dass dies ihr Schlüssellaut ist und zwar bereits im Alter von wenigen Wochen. Soweit ist sie willig, sich abhalten zu lassen an vielen verschiedenen Orten allein durch die Tatsache, dass sie keine Windeln trägt und mich diesen Satz sagen hört. (Ich muss jedoch darauf achten dass die Umgebung nicht zu interessant ist, ansonsten schaut sie herum und vergisst, sich zu entspannen und es fliessen zu lassen.)
Ich habe auch die harte Lektion gelernt, ihr nicht den Schlüssellaut zu geben, ehe alles komplett bereit ist. Als sie ein paar Wochen alt war, eilten wir zur Toilette hin, welche jedoch besetzt war von meinem 3-jährigen Sohn. Er war gerade am fertig machen und ich begann, die Babywindeln auszuziehen, damit wir dann bereit wären, wenn wir an die Reihe kämen. Abwesend, als ich sie auszog, sagte ich: „Möchtest Du aufs Töpfchen gehen?“ und dieses Mal meinte ich es wörtlich und nicht als Schlüssellaut. Doch mein kleines Mädchen liess es umgehend fliessen – direkt auf den Kopf ihres Bruders.


5.    Gibt es ein verlässiges Zeitmuster, wann Ihr Baby aufs Töpfchen gehen muss, und wie finden Sie es heraus?

Das Timing ist ziemlich zuverlässig. Ich begann mit dem Ratschlag meiner EC-praktizierenden Freundin, dass ich mein Baby unmittelbar, nachdem es aufwacht, abhalten soll. Und als es ein Neugeborenes war, schlief es so oft, dass dies hauptsächlich das einzige Zeitmuster war, das ich kennen musste. Während es wuchs und längere Zeiten wach blieb, habe ich einfach beobachtet, wann seine Windeln nass waren und nach Mustern gesucht. Die Zeiten, von denen ich herausgefunden habe, dass es oftmals abgehalten werden muss, sind nach dem Aufwachen, sofort nach dem Essen und direkt vor dem Wechsel einer Position. (Diese Zeitmuster gleichen sehr denen von älteren Kindern oder gar Erwachsenen, wann diese ebenfalls auf die Toilette gehen müssen.)


6.    Erleben Sie, dass Sie den richtigen Moment erwischen ohne Zeichen und Zeitmuster, einfach durch Intuition?

Dies beängstigte mich, bevor ich begann. Immer wieder las ich Dinge, die EC mystisch machen liessen, wie: „du weisst einfach“, wann dein Baby abgehalten werden muss. Einige Leute sprechen sogar davon, Wörter in ihrem Kopf zu hören. Das was der springende Punkt, bei dem für mich die ganze Idee von EC vorerst gestorben war. Ich dachte: „Das ist unmöglich, Ich werde nie und nimmer „einfach wissen“. Doch es hat sich herausgestellt, dass man das gar nicht zu tun braucht. Vielleicht, vielleicht, ein oder zweimal habe ich mein Baby abgehalten durch Intuition alleine, doch es könnte auch sein, dass ich einfach realisiert habe, dass es schon eine Weile seit unserer letzten Badezimmer-Tour her war. Für mich ist es nie mystischer gewesen als jeder andere Bereich der Babypflege, wie herauszufinden, wann mein Baby hungrig ist und gestillt werden muss. Schlicht und einfach Muster realisieren, Signale und Zeitpunkte beachten, da ist nichts Magisches daran.


7.    Sind Ihr Mann, Ihre Kinder und Ihre nahen Freunde auch involviert in das Töpfchentrainig ihres Babys?

Mein Mann ist mein Beifallspender und das Haupt meines PR-Departements. [Public Relations – Öffentlichkeitsarbeit], Nichts könnte motivierender sein, als zu hören, wie er den Leuten erzählt, auf welche Weise unser Baby im Badezimmer abgehalten wird. Und am Anfang, als ich mich erst noch an meines Babys Signale gewöhnen musste, waren meine Kinder gute Helfer im Hören auf dieses spezielle grunzende Quengeln. Freunde sind auch eine grosse Unterstützung gewesen, und wenn es nicht meine Freundin gewesen wäre, die mich sehen liess, wie sie ihr Baby abhielt, weiss ich nicht, ob ich EC je überhaupt nur ausprobiert hätte. Doch in der eigentlichen Handlung, nämlich unser Baby zur Toilette zu bringen, (ausser einzelnen Malen, als ihr Vater dies tat), bin ich diejenige, die dieses Vergnügen hat. Mein Baby wird auch recht abgelenkt, wenn andere Personen zuschauen und das einzige Mal, als eine Freundin versuchte, es abzuhalten, ist mein Baby nicht darauf eingegangen.

8.    Unterstützt EC eine gute Gesundheit?


Der hauptsächliche Gesundheitsvorzug von EC, den ich gesehen habe, ist, dass mein Baby praktisch keinen Windelausschlag hat. Meine ersten drei Kinder brauchten Tube um Tube von Desitin [Salbe zur Behandlung von Windelausschlag]. Doch jetzt, da ich EC praktiziere, bleibt die Haut meines Babys fast die ganze Zeit trocken und wir sind nach neun Monaten noch an der selben angebrauchten Tube Desitin, welche aus den Tagen der Windelausschläge meines dritten Babys übrig blieb.


9.    Glauben Sie, dass EC einen positiven Einfluss auf die Entwicklung Ihres Kindes hat?

Nun – ich denke, dass es sein könnte. Dieses Baby ist sicherlich viel glücklicher als meine ersten drei und auch kommunikativer. Es gibt keinen Weg, es sicher zu wissen, doch es scheint mir Sinn zu machen, dass sich wohler zu fühlen und mehr Gelegenheiten zu haben, sich bedeutungsvoll ausdrücken zu können, eine kleine Person glücklicher macht und motivierter, aus sich herauszukommen. Tatsache ist, dass meine Tochter ihr erstes Wort lernte, als sie achteinhalb Monate alt war. Sie sagt sehr klar „Mama“, wenn sie von mir gestillt werden möchte. Es ist möglich, dass sie einige stark ausgeprägte sprachliche Gene hat und auch ohne EC früh zu sprechen angefangen hätte. Doch der eine Erfolg führt zum Nächsten und ich kann nicht anders, als mich zu wundern, ob meine Aufmerksamkeit all ihrem kleinen Geplapper gegenüber einen bedeutenden sprunghaften Auftakt gegeben habe.


10.    Ist Ihre Entscheidung, EC zu praktizieren im Einklang mit Ihrer christlichen Überzeugung und dem Lebensstil?

Ich bin gewiss nicht der Meinung, dass alle christlichen Mütter EC praktizieren sollten. Die Bibel sagt nirgends etwas darüber, somit ist es im sehr weiten Sinn nur eine persönliche Bevorzugung. Doch dadurch, dass ich Christ bin und mein Glaube alle Aspekte meines Lebens und Denkens durchdringt, gibt es eine Bedeutung, in welcher die EC-Praktik von meinem Christsein berührt wird. Insbesondere ist dies meines Herrn Gebot, den Nächsten so zu behandeln, wie ich selbst behandelt werden möchte.
Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch. Das ist das Gesetz und die Propheten. (Die Bibel, Matthäus 7,12)
Wenn ich unfähig wäre, selbst zur Toilette zu gehen, ich weiss, es wäre mir viel lieber, jemand würde mich dorthin bringen, statt mich in eine Windel machen zu lassen und sie nach seiner Beliebigkeit zu wechseln. (Wie ich es mit meinen ersten drei Kindern tat.) Das ist eine grosse Sache, die mich anspornt, auf diesem aussergewöhnlichen Weg weiterzugehen. Ich behandle mein Baby in der Weise, wie ich selber auch behandelt werden wollte.
In eckigen Klammern [  ] geschrieben sind Anmerkungen zur Übersetzung.

Die englische Originalversion des Interviews kann eingesehen werden unter:
http://pursuingtitus2.com/category/loving-our-children/ec/

Frau Parunak lebt in Nordamerika, ist verheiratet und Mutter von vier Kindern. Als überzeugte Christin betreibt sie einen Blog mit dem Ziel, andere Frauen zu ermutigen. Einige Themen ihres Blogs sind Hausarbeit, Heimschule, Sittsamkeit, Kopfbedeckung, Hausgeburt, Stillen und Ausscheidungskommunikation.

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